Wer erkennt es – Juli 2024
Wir leben in einer immer schneller werdenden Zeit. Herausforderungen wachsen, sowohl in unserem Beruf, als auch in unserer Freizeit. Alles muss seinen Sinn und seine Effektivität haben. Und manchmal ist das dann einfach zu viel. Unter anderem hiervon handelt das Lied, dass ich dieses Mal herausgesucht habe. Hier der Text:
Rufe dich mitten in der Nacht an
Wie ein Glühwürmchen ohne Licht
Du warst da wie eine brennende Sturmfackel
Ich war ein Schlüssel, der ein bisschen gedreht werden müsste
So müde, dass ich nicht einmal mehr schlafen kann
So viele Geheimnisse, die ich nicht bewahren kann
Schwor mir selbst, dass ich nicht weinen würde
Ein weiteres Versprechen, dass ich nicht halten konnte
Es scheint, als könne mir jetzt niemand helfen
Ich stecke zu tief drin
Es gibt keinen Ausweg
Diesmal bin ich wirklich vom Weg abgekommen
"Weglauf"-Zug, ohne Rückfahrt
Falsche Richtung in einer Einbahnstraße
Scheint, als sollte ich irgendwo ankommen
Irgendwie bin ich weder hier noch dort
Kannst du mir helfen, das Lachen wieder zu lernen?
Irgendwie dafür sorgen, dass mir alles lohneswert erscheint
Wie um alles in der Welt bin ich so abgestumpft geworden?
Die Geheimnisse des Lebens scheinen so verblasst
Ich kann dahin gehen, wo niemand anderes hingehen kann
Ich weiß, was niemand anderes weiß
Hier ertrinke ich nur im Regen
Mit einem Ticket für den "Weglauf"-Zug
Und alles scheint routinehaft und eintönig
Tag und Nacht
Erde und Himmel
Irgendwie glaube ich es einfach nicht
Habe ein Ticket für den "Weglauf"-Zug gekauft
Wie ein Verrückter, der über den Regen lacht
Ein wenig neben der Spur, ein wenig verrückt
Es ist einfacher, als mit dem Schmerz zurechtzukommen
"Weglauf"-Zug, ohne Rückfahrt
Falsche Richtung in einer Einbahnstraße
Scheint, als sollte ich irgendwo ankommen
Irgendwie bin ich weder hier noch dort
"Weglauf"-Zug, ohne Rückfahrt
"Weglauf"-Zug, reißt die Strecke auf
"Weglauf"-Zug, brennt in meinen Venen
Ich laufe davon, aber es scheint immer dasselbe zu sein
Der Weglauf-Zug, steigen wir da nicht alle immer wieder ein? Kaufen uns ein Ticket und blicken nicht zurück, um uns mit den Problemen, die uns beschäftigen, nicht herumschlagen zu müssen? So wie ein Kleinkind denkt, wenn es die Augen schließt, sieht mich das Gegenüber nicht, genauso verschließen wir unseren Verstand vor unangenehmen Dingen und glauben, damit sind sie erledigt. Überraschung: sind sie in den seltensten Fällen. Meistens verschlimmert sich das Problem sogar noch.
Kann man auf Dauer die Augen verschließen vor den Herausforderungen, die einem das Leben stellt? Meine Erfahrung zeigt, dass die Probleme größer und das Verständnis anderer Menschen geringer wird, wenn man die Augen verschließt und die Dinge nicht angeht. Aber es erfordert Mut und Kraft sich diesen Herausforderungen immer sofort zu stellen. Oft genug sind diese ja auch durch einen Fehler von einem selbst entstanden.
Im Refrain heißt es: „
"Weglauf"-Zug, ohne Rückfahrt
Falsche Richtung in einer Einbahnstraße
Scheint, als sollte ich irgendwo ankommen
Irgendwie bin ich weder hier noch dort“
Weder hier noch dort, das ist doch das Schlimmste aller Lösungen, denn es ist keine Lösung.
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht. Es entsteht ein Problem (meinetwegen auch Herausforderung) und man hat keine sofortige Lösung. Dann fange ich an, an der Lösung zu arbeiten, mir Gedanken zu machen. So wie ein Hund auf einem Knochen herumkaut. Wenn ich das nicht tue, kommt aus dem Hintergrund immer wieder der Gedanke daran, „was mache ich nur“. Aus diesem Karussell komme ich nur heraus, wenn ich den Ansatz einer Lösung habe oder zumindest das Ganze angegangen bin und mit anderen Personen an einer Lösung arbeiten kann.
Manchmal fehlt aber die Kraft. Und manchmal sind es auch zu viele Herausforderungen. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit, will jeder sofort eine Lösung haben. Aber „sofort“ ist halt nicht immer drin. Manchmal muss man aufschieben und priorisieren. Ist nicht schön, aber notwendig. Und sind wir mal ehrlich: oft genug gibt es Dinge, die auch aufgeschoben werden können, deren Wichtigkeit von den Protagenisten hochgehalten wird. Und manchmal braucht es auch einfach seine Zeit, bis eine Lösung in Sicht kommt.
„Kannst du mir helfen, das Lachen wieder zu lernen?
Irgendwie dafür sorgen, dass mir alles lohnenswert erscheint
Wie um alles in der Welt bin ich so abgestumpft geworden?
Die Geheimnisse des Lebens scheinen so verblasst“
Manchmal, ja manchmal braucht man auch die Hilfe eines anderen Menschen, um Klarheit zu finden, um wieder geerdet zu werden, um Lösungen zu finden.
Ich sitze gerade in meinem Garten und beobachte meine Kaninchen. Sie leben im Augenblick und freuen sich, wenn Ihnen ein Löwenzahnblatt über den Weg läuft oder sie eine Karotte finden. Sie genießen die Sonnenstrahlen, die auf ihren Pelz fallen und genießen eine ordentliche Buddelei in der Erde. Wäre es nicht fantastisch, als Mensch auch so ein sorgenfreies Leben zu haben?
Im Matthäusevangelium steht: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“
Warum machen wir uns Sorgen, warum leben wir nicht im hier und jetzt?
Ich fürchte, das liegt an unserem Menschsein, an dem Wunsch, abgesichert zu sein. Ich gebe zu, in den Tag hineinzuleben ist nicht meine Art. Aber herumgetrieben zu werden und keine Ruhe zu finden, ist es auch nicht. Vermutlich liegt der Segen im Mittelweg: mit Gottvertrauen und Selbstbewusstsein.
Und? Haben Sie es erkannt? Es ist das Lied „Runaway train“ von Soul Asylum. Soul Asylum ist eine amerikanische Alternative-Rock-Band, die 1992 durch genau diesen Hit Runaway Train bekannt geworden ist. Die Single wurde ein weltweiter Erfolg für Soul Asylum und brachte der Gruppe in den meisten Ländern Top-Ten-Positionen ein.
Sänger Dave Pirner sagt mal über diesen Song:
"Der Song purzelte einfach aus mir raus. Manchmal braucht ein Song sechs Jahre, manchmal nur eine halbe Stunde. Es war damals das erste Mal, dass ich einen Song geschrieben hatte, auf den alle sofort irgendwie reagierten. Ich konnte damals noch nicht verstehen, weshalb alle so von den Socken waren. Später realisierte ich, dass sie alle sofort $-Zeichen in den Augen hatten. Sowas war mir vorher noch nicht passiert."
Das Musikvideo zu "Runaway Train" war nicht unwesentlich an diesem Erfolg beteiligt. Das Video zeigte die Bilder und Namen von vermissten Kindern. Das Video endete mit einem Aufruf des Soul Asylum-Frontmanns:
"Wenn du eines dieser Kinder gesehen hast oder eines dieser Kinder bist, ruft bitte folgende Nummer an..."
Es gab in vielen Ländern alternative Versionen des Videos, jeweils mit vermissten Kindern aus dem eigenen Land. Bis heute arbeitet Dave Pirner mit der Organisation zusammen, die schon 1992 an der Seite der Band war: The Center for Missing and Exploited Children.
Nach der Veröffentlichung des Musikvideos passierte dann das Unfassbare: Sage und schreibe 26 der im Video vorkommenden Fälle wurden gelöst. Viele Kinder davon konnten wieder mit ihren Eltern vereint werden, in anderen Fällen ging es nicht glücklich aus, aber es gab zumindest für die Angehörigen Klarheit.“ https://www.90s90s.de/the-story-behind-runaway-train
Runaway Train handelt von Kindern und Jugendlichen, die zu Hause abgehauen sind. Auf die Idee kamen Murphy und Pirner, als sie Milchpackungen sahen, auf denen mit Fotos nach Vermissten gesucht wurde. Wer hat eventuell irgendjemanden gesehen, wer kann einen Hinweis geben? Genau das wird die Idee für einen neuen Song. Selbst die Plattenfirma ist begeistert – und bewilligt Geld für ein Video. „Über eine Million Jugendliche gehen pro Jahr in den Straßen Amerikas verloren“, kann der Betrachter am Anfang groß lesen. Dann folgen Spielszenen, in denen Kinder Stress mit ihren Eltern haben und weglaufen. Immer wieder Kinder, die weglaufen, weil sie es zu Hause nicht mehr aushalten. Mädchen, die auf den Strich gehen, um zu überleben. Kinder und Jugendliche, die andeutungsweise misshandelt werden. Doch es kommt noch härter: Eingeblendet ins Video werden nämlich Bilder von Kindern, die real vermisst werden – mit vollem Namen und einer Hot-Line, unter der man anrufen kann. Wer hat etwas gesehen, wer kann weiterhelfen? Und weil die Idee so genial ist, mischen Soul Asylum ihr Video gleich für mehrere Länder ab – mit Gesichtern von Kindern und Jugendlichen, die hier vermisst werden. Für andere Menschen da sein, helfen, wo es geht, eine neue Zukunft schaffen. Und Wunden heilen, da wo sie entstanden sind. Das scheint die Idee hinter dem Song zu sein. Und tatsächlich: Einige der in den Videos Vermissten werden gefunden, kehren nach Hause zurück, versöhnen sich. Andere werden nur noch tot gefunden. Große Anerkennung von Bill Clinton: Der bittet 1993 Soul Asylum, Runaway Train zu seiner Amtseinführung als Präsident der USA zu spielen. https://www.heavenonair.de/radio/radio-salue/soul-asylum-runaway-train/
Ein aktueller Fall hat uns in den letzten Monaten beschäftigt, Arian, ein autistisches Kind ist verschwunden und die Suche wurde fantasiereich aber leider erfolglos durchgeführt. Die Statistik für vermisste Kinder: „In den Jahren 2018 bis 2023 schwankte die Zahl der pro Jahr vermissten Kinder zwischen rund 14.500 (2021) und 18.100 (2019). Im Jahresverlauf 2023 waren insgesamt rund 16.500 Kinder vermisst. Rund 15.800 Fälle vermisster Kinder haben sich im Jahresverlauf wieder erledigt. Die Aufklärungsquote liegt bei Betrachtung der vergangenen sechs Jahre bei 99,8 %.“ (https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/BearbeitungVermisstenfaelle/bearbeitungVermisstenfaelle.html) Jeder einzelne dieser 0,2% Fälle tut aber weh.
Ich wünsche uns allen, dass wir nie den Schmerz erleben müssen, ein Kind zu vermissen. Ich wünsche uns aber auch die Stärke, uns selber nicht zu verlieren, sondern uns unseren Herausforderungen immer stellen zu können. Und dazu wünsche ich uns immer jemanden an unserer Seite.
geschrieben von Kirsten Gutleben